Wie bin ich zu der geworden, die ich heute bin? Gute Frage. Ich habe mich mal näher damit beschäftigt. Dabei bin ich auf einige Erkenntnisse gestoßen, die bei näherem Hinsehen logisch erscheinen. Und doch sind sie bei jedem Menschen anders und führen auch zu anderen Ergebnissen. Formale Qualifikationen sind sicher bedeutsam, doch auf die will ich hier nicht eingehen. Es sind die kleinen Momente, die mich und mein Leben prägen.

Frau im Tulpenfeld, Bauchbinde
Es sind die kleinen Momente

Die kleinen Momente prägen mich und mein Leben

Für mich ist das Leben eine Reise und jeden Tag kommt auf der Reise etwas Neus hinzu. Doch allzu oft unterschätzen wir die kleinen Momente. Das kann das Lächeln meines Liebsten sein, das mich froh gestimmt in den Tag starten lässt und mir selbst auch ein Lächeln ins Gesicht bringt. Das kann sich so auf der Straße fortsetzen, im Büro … Das kann das erfolgreiche Kundengespräch, die Buchung einer Reise, ein Strauß Blumen der Freundin oder auch ein lieber Gruß eines Freundes sein. Aber auch ein Fehler, aus dem ich lerne.

Das ganze Leben besteht aus ganz, ganz vielen kleinen Momenten. Manches passiert automatisch. Und doch habe ich mir darüber extra Gedanken gemacht? Gibt es also doch besondere Momente? Ja, vielleicht auch die Hochzeit und damit meine Entscheidung für die Ehe. Kündigung meines Jobs und Neuanfang. Das alles wahrscheinlich auch. Doch würde ich hier noch einmal gesondert schauen. Das sind Ereignisse und dabei gab es sicher auch prägende Momente. Prägende Momente entstehen, wenn ich emotional angesprochen bin und bei mir eine Reaktion ausgelöst wird. Ein paar solcher Momente will ich mal aufzählen.

Was die Mathematikolympiade mit Afrika zu tun hat

Ich erinnere mich an den Tag, als ich bei der Mathematikolympiade in der 7. Klasse den zweiten Platz belegte. Ich weiß nicht mehr, ob es eine Medaille gab oder eine Urkunde. Ich habe nur noch das kurze Gespräch mit dem Lehrer im Ohr, der mir sagte, dass er nach Afrika geht, um zu unterrichten. Ein paar Monate später bekam ich eine Karte aus Ghana und ich wusste, eines Tages werde ich auch nach Afrika gehen. Bisher war es nur ein Besuch für 14 Tage in Lagos in Nigeria, doch die Freunde, die ich dort gefunden habe, habe mich und meine Haltung noch nachhaltiger geprägt.

Vor ein paar Jahren las ich einen ausführlichen Artikel über Henning Mankell. Darin konnte ich über seine Eindrücke von seinen Reisen nach Afrika lesen. Er landete, sieg aus dem Flugzeug, warme Luft umwehte ihn, er betrat afrikanischen Boden und hatte das Gefühl, er sei zu Hause angekommen. So ging es mir mit den Menschen. So viel Wärme und Herzlichkeit wie ich dort gespürt habe, ist mir selten wieder begegnet (Familie und Freunde sind bei dieser Betrachtung außen vor).

Meine Liebe zu Menschen, unabhängig von Herkunft, Einkommen, Alter, Geschlecht wurde damit noch vertieft. Egal wohin ich reise, was ich tue. Es sind immer die Menschen, für die ich mich interessiere.

Eine Gedichtinterpretation führte zum Mathematikstudium

Wer erinnert sich nicht an den Deutschunterricht. Ich habe ihn geliebt. Das begann wohl so in der siebten Klasse. Zugegeben, ich war wohl auch ein wenig in meinen Deutschlehrer verliebt. Es hat mir großen Spaß – Aufsätze, Grammatik, Gedichte. Lesen hat mich auch schon immer interessiert. Bücher habe ich regelrecht verschlungen. So beschloss ich irgendwann, wohl so in der 9. Klasse, ich werde Deutschlehrerin. Da war ich bereits in einer anderen Schule, hatte also nichts mehr mit dem Lehrer zu tun.

Ich liebe einfach die Sprache und den Umgang damit und ich wollte gerne Kinder und Jugendliche beim Erlernen und im Umgang unterstützen. Doch dann kam der Tag, an dem wir ein Gedicht interpretieren mussten – in einem Aufsatz! Es war in der 11. Klasse. Ich weiß bis heute nicht mehr, um welches Gedicht es ging. Als ich das Ergebnis bekam, war ich am Boden zerstört, es war nicht wirklich schlecht, nein eine Zwei. Doch die Begründung fand ich so subjektiv, konnte und wollte das vor allem nicht nachvollziehen. Ich fühlte mich total ungerecht behandelt. Das konnte und wollte ICH Kindern niemals antun. Ich brauchte etwas, was entweder richtig oder falsch ist. Weil ich Mathematik auch liebte, stand mein Entschluss fest. Ich werde Mathematiklehrerin.

Eine Sozialversicherungsakte und eine Zweite Karriere

Es war im Sommer 1990, ich habe gerade alles verloren – mein Land, meinen Job an der Hochschule, meine Qualifikationen (zwei Diplome in Mathematik und Sozialwissenschaften) scheinen nichts mehr wert. Doch ich gehöre immer zu denen, die nicht lange verzagen sondern sich an etwas Neues heranwagen.

Ich habe das Angebot bekommen, eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten zu machen. Keine Ahnung, was genau das genau ist, aber es ist auf jeden Fall eine Chance für mich. Ansonsten droht die Arbeitslosigkeit. Was das für mich persönlich bedeuten würde, kann ich nur erahnen. In der DDR gab es das nicht. Also habe ich angefangen, drei Wochen Vorlesungen in Sozialversicherungsrecht der Bundesrepublik Deutschland. „Wie werde ich Wessi“ haben wir das genannt. Das war auf jeden Fall sehr hilfreich und durchaus spannend.

Dann ging es ins Seminar. Ich denke in der zweiten Woche haben wir dann unsere erste Sozialversicherungsakte bekommen. Eine Hängeregistermappe mit Formularen zum Ankreuzen. Ich habe das Ganze für mich so interpretiert, dass das mein künftiges Leben sein würde. Formulare zum Ankreuzen als Antwort auf Anfragen von Versicherten. Das war sicher ungerecht. Doch ich habe für mich entschieden, dass ich das auf gar keinen Fall machen werde. Den Kurs habe ich offiziell gekündigt und mir eine neue Perspektive gesucht. Ich habe nur ein paar Wochen später einen Kurs in Bildungsmanagement begonnen, der die Grundlage für meine „zweite“ Karriere war.

In Rente – Geht da noch Veränderung?

Angang 2020 und das Ende meines Berufslebens steht vor der Tür, nein eigentlich schon in der Tür. Ich habe das immer verdrängt. Ein Fehler, wie ich Wochen später bemerke. Denn noch im Februar bin ich davon ausgegangen, dass ich weiter in der Firma, in der Akademie arbeiten kann, in der ich schon so lange beschäftigt bin. Fast zwanzig Jahre. Ich fühle mich jung, geistig und körperlich fit, beschäftige mich gerade mit Themen wie Digitale Transformation, Agilität, Change Prozessen in Unternehmen, … Doch dann – COVID 19 und alles verändert sich.

Keine Weiterbeschäftigung – Arbeitsvertrag läuft aus – Rente. Ich war völlig planlos. Allein die Vorstellung, dass ich keine Weiterbeschäftigung mehr habe, kein Wir, keine Kolleginnen und Kollegen, keine Aufgabe. Wie soll das gehen? Ich brauchte das „Gebrauchtwerden“, die Wertschätzung, Anerkennung, Feedback, Kritik, Resonanz, Reibung, Austausch, Wachstum. Dabei ging es nicht um Beschäftigung. Das war nicht das Problem.

Corona kam mir ein wenig entgegen. Die Digitalisierung nahm auch in Deutschland Fahrt auf. Uns so buchte ich für mich einige Kurse. Dabei begegnete mir eines Tages eine Frau, die mir die Augen wirklich öffnete. Mach Dein eigenes Ding, starte Dein eigenes Business. Ich habe mich auf den Weg gemacht. Darüber an anderer Stelle mehr.

Welche Momente haben Euer Leben veränxert oder beeinflusst? Ich bin sehr gespannt.